Von Zeit zu Zeit tritt bei physischen Ausstellungen das Problem auf: Man möchte Ergebnisse eines geisteswissenschaftlichen oder kulturwissenschaftlichen Forschungsprojektes präsentieren und wählt als Form eine Ausstellung. Im Ergebnis haben wir lange und viele Texte, die Sprache passt weder zur Zielgruppe noch zum Ort. Die Ausstellungskataloge enthalten sehr gute fachwissenschaftliche Beiträge, illustriert mit Objektabbildungen. Auch virtuelle Ausstellungen können in diese Falle tappen.
Bezug zu physischen Ausstellungen klären
Die ersten Fragen in der Planung einer virtuellen Ausstellung wäre aus meiner Sicht: Warum benötige ich diese? Was ist das Ziel?
- Soll ein digitaler Zusatznutzen zu einer physischen Ausstellung entstehen?
- Existiert keine eigene Ausstellungsfläche und wird eine virtuelle Ausstellung anstelle einer physischen realisiert?
Welche digitalen Werkzeuge wähle ich?
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, virtuelle Ausstellungen zu realisieren. Recht einfache kostenlose Lösungen (z.B. Google Arts & Culture), in denen eine formularbasierte Maske dazu dient, die Objekte einzugeben, ein paar Einführungstexte zu ergänzen und Logo und Farben zu variieren. Diese Ergebnisse sind schnell verfügbar, ähneln sich jedoch stark. Der Teufel steckt dann im Detail: Wer hostet hier eigentlich meine Daten? Ist diese Präsentation in fünf Jahren noch verfügbar? Welche Webtechnologien werden verwendet? Welchen lizenzrechtlichen Bedingungen habe ich da zugestimmt?
Open Source-Lösungen benötigen zu Beginn vielleicht etwas mehr Knowhow (z.B. Omeka), bieten aber mehr Möglichkeiten, die Daten können selber gehostet werden und sind dank vorhandener Schnittstellen mit anderen Angeboten kombinierbar.
Auch Museumsdatenbankmanagementsysteme bieten seit einiger Zeit „Online-Präsentationen“, „Virtuelle Ausstellungen“ oder ähnliches an.
Gefahren bei Virtuellen Ausstellungen
- Durch fehlende Limitierung drohen Datenfluten ohne Kontext. Auswahl und Kontextualisierung bleiben wichtig. Auch Daten müssen kuratiert werden. Wer liefert Content?
- Medienmix und multiple Zugänge schaffen Ablenkung. Und Verwirrung. Hier ist auf eine Balance zu achten, wiedererkennbare Elemente liefern Orientierung, neue Elemente ihre Bedienung bedürfen Erklärung.
- Das richtige Tool verwenden und erklären. Nicht jedes Exponat passt in jedes Tool. Was genau wird dargestellt? Wie wird es bedient? Was bringt mir eine Timeline, wenn einige Objekt nicht datiert sind? Wie dokumentiere ich, dass hier einige Exponate nicht angezeigt werden?
- Keine Datenmanufaktur. Vorher Abhängigkeiten klären. Wie muss der Input für ein Tool aussehen? Wie kommen wir an die Daten in der erforderlichen Qualität?
- Und danach? Was finden wir heute in alten Projekten? Tote Links, alte Flash-Animationen, das pflegt keiner. Also das Projekt stark in die Institution verankern, die weitere Pflege sicherstellen und bereits bei der Erstellung von einigen Dingen Abstand nehmen. Ein schlechtes Beispiel sind die virtuellen Rundgänge einiger Museen. Wenn die Animation nicht mehr geht, bleibt der Content verschlossen.
Brauchen wir virtuelle Ausstellungen?
Sind Kulturerbeinstitutionen ohne virtuelle Ausstellungen dem Untergang geweiht? Nein, auf keinen Fall. Während meines Museologie-Studiums hörte ich häufig, dass Museen sich unbedingt im Second Life präsentieren müssten, denn dort würden sich die jungen digitalen, kulturinteressierten Menschen aufhalten. Wir als Museumsfachleute müssten diese virtuelle Welt in Second Life mitgestalten, sonst wären wir nicht mehr relevant. Was soll ich sagen? Ich habe im Januar 2019 Studierende der Museologie gefragt, ob sie Second Life und die Angebote der Museen dort nutzen. Es war unbekannt. 🙂