Da ich Museologin bin und im Bereich der Digital Humanities arbeite, liegt es nah, „klassische“ Themen des Museums in der digitalen Welt zu betrachten. Eines der Themen sind virtuelle Ausstellungen. Im letzten Jahr fand in Gotha der Tagungsworkshop: „Exponat – Raum – Interaktion. Perspektiven für das Kuratieren digitaler Ausstellungen“ statt, der von der Forschungsbibliothek Gotha und der Professur für Museologie Universität Würzburg organisiert wurde.
Die zahlreichen Beiträge (hier der Link zum Programm) boten neue Sichtweisen der verschiedenen Disziplinen und regten zum Austausch an. Nun meine Gedanken über Virtuelle Ausstellungen, die ich stellenweise bereits in meinem Vortrag in Gotha geäußert habe.
Der Museumsbund definiert Ausstellen als eine der Kernaufgaben von Museen:
Ausstellen
Mit der Ausstellung präsentiert das Museum seine Sammlung der Öffentlichkeit.
In der Ausstellung werden die Objekte in wechselnden thematischen Zusammenhängen präsentiert. Das Ausstellen vollzieht sich in der Regel in Dauer- oder Wechselausstellungen sowie in Studiensammlungen. Die Dauerausstellung zeigt einen repräsentativen Querschnitt der eigenen Sammlung. In der Wechselausstellung werden, häufig mit Ergänzung von Leihgaben, weitere Themen vermittelt.
Wichtige Begriffe hier Präsentation, Öffentlichkeit, wechselnde thematische Zusammenhänge, Dauer- und Wechselausstellungen, Studiensammlungen. Dies lässt sich vielleicht auch auf virtuelle Ausstellungen übertragen, denn eine Definition für virtuelle Ausstellung bleibt der Museumsbund nämlich aus meiner Sicht noch schuldig, benennt aber an verschiedenen Stellen die Herausforderungen solcher Projekte: Personalmangel, fehlende Digitalisate, Urheberrechtsfragen.
Auch das Selbstverständnis der Museen müsste betrachtet werden: Ist dies überhaupt ein Thema aus den Museen? Oder haben uns Anbieter wie Google hier längst überholt?
Ein Blick in die Wikipedia liefert unter Ausstellungen auch einen erläuternden Text über Virtuelle Ausstellungen, der noch weit von einer Definition entfernt ist:
Virtuelle Ausstellungen
Im Zeitalter moderner Online-Medien etablieren sich zunehmend auch sogenannte virtuelle Ausstellungen, bei denen die Exponate in digitaler Form für eine Betrachtung am Bildschirm aufbereitet werden. Der Besuch eines fixen Ortes ist somit nicht mehr nötig; stattdessen können die Ausstellungsgegenstände zeit- und ortsunabhängig betrachtet werden. Redaktionelle Texte und vielfältige Multimedia-Angebote (Bildergalerien, Video- und Audioclips, Blätterkataloge etc.) treten an die Stelle der klassischen Information durch Schautafeln und Vitrinen. Oft sind darüber hinaus interaktive Angebote wie bilinguale Versionen, barrierefreie Zusatzdaten, Zoomfunktionalität oder ein virtuelles Gästebuch etc. verfügbar.
Aber wir erkennen Kernbegriffe: Online-Medien, Exponate in digitaler Form, Aufbereitung. Zeit- und ortsunabhängig, Multimedialität und Interaktivität, Zoomfunktionalität, und ein virtuelles Gästebuch. Einerseits sehen wir die Übertragung von Begriffen aus der analogen Welt (wie das Virtuelle Gästebuch), aber auch die Zusatznutzen einer Virtuellen Ausstellung.
Man findet viele Äußerungen über virtuelle Ausstellungen, aber keine Definition. Vielleicht funktioniert hier eine Übertragung des Analogen ins Digitale nicht. Es gibt daneben plötzlich auch digitale Museen, virtuelle Sammlungen und online-Ausstellungen.
Interessanter fände ich zudem das Betrachten der vorhandenen virtuellen Ausstellungen, um zu schauen, welche Gemeinsamkeiten wir erkennen können. Was kann ich mit einer Virtuellen Ausstellung erreichen? Wie könnte ich vielleicht auch virtuelle Ausstellungen rezensieren?
Erste Kriterien wären für mich folgende:
- Multinavigation, nicht nur ein linearer Zugang
- Verschiedene Ansichten , die ich in einer Vitrine nicht bieten kann (3-D, Durchblättern)
- Multimediale Präsentation
- Vielfältige Verknüpfungen
- Optionen des Stöberns, Browsen
- Mehrsprachigkeit
- Verknüpfung mit anderen digitalen Angeboten
- „digitaler Giftshop“
Der „digitale Giftshop“ soll aus meiner Sicht genau das Erreichen, was auch der Museumsshop versucht: mithilfe eines Stellvertreters an den Besuch (oder gar das Erlebnis) erinnern. Dieser Stellvertreter – sei es eine Postkarte oder der Ausstellungskatalog – soll natürlich auch mit der Institution in Verbindung gebracht werden.
Bei allen Vorteilen virtueller Ausstellungen sollten wir uns auch klar machen: es gibt hier Schwachstellen. Einige Ziele kann ich nicht erreichen oder nur unter größeren Anstrengungen:
- ein Erlebnis versprechen/anbieten (Ja, das ist auch in einer virtuellen Ausstellung möglich, ich stelle es mir nur schwieriger vor.)
- direkte Ansprache der Nutzer*innen. (Mitarbeiter*innen am Kassentresen geben sehr schnell sehr nützliche, auf den Besucher abgestimmte Informationen.)
- soziale Elemente eines Gruppenbesuchs (z.B. zwangloser Austausch)
- Planung einer Verweildauer aus Nutzersicht (Bei Gebäuden kann die Fläche ein Anhaltspunkt sein, virtuelle Fläche ist schwer darstellbar.)
- Orientierung (wenn wir nicht-linear erzählen wollen, könnte der rote Faden fehlen)
- „Verzettelung“ durch zu viele externe Angebote (verlinkte Informationen sind sehr gut. Aber kommt der Nutzer zurück?)
- Raumwirkung (Es macht ja schon im Analogen einen Unterschied, wo ein Objekt präsentiert wird. Im Digitalen kann ich mir noch nicht vorstellen, wie ich diese Raumwirkung ersetzen könnte)
Wenn wir wissen, was eine Ausstellung ist, ungefähr erahnen, was eine virtuelle Ausstellung ist, ihre Vorteile und Schwachstellen kennen, sollte es doch ein Leichtes sein, gute virtuelle Ausstellungen zu entwickeln.
Titelbild: „Eröffnung der Monet-Ausstellung im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar am 29. oder 30 April 1905. (Hinten v. l. n. r.): Arthur von Payern, Max von Münchhausen, Margarete (Gitta) Heymel, Alfred Walter Heymel, Alfred von Nostitz-Wallwitz, Hugo von Hofmannsthal, Harry Graf Kessler (Vorn v. l. n. r.): Editha von Münchhausen, Gerty von Hofmannsthal, Helene von Nostitz-Wallwitz, Henry van de Velde (By Unknown – https://www.degruyter.com/downloadpdf/books/boehlau.9783412216641/boehlau.9783412216641.toc/boehlau.9783412216641.toc.pdf, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64391954)