Gedanken zu Museumsdaten und Qualität

Was ist Qualität?

Immer wenn es um eine Definition von Qualität geht, lesen wir die DIN EN ISO 9000:2015-11 zu Qualitätsmanagement, die Qualität als einen Grad bezeichnet, „in dem ein Satz inhärenter Merkmale eines Objekts Anforderungen erfüllt.“

In Museen wird der Qualitätsbegriff häufig auf Serviceleistungen angewendet, um die Frage zu beantworten, ob man die Anforderungen und Erwartungen der Zielgruppe mit bestimmten Angeboten erfüllt.

Man darf mich nicht falsch verstehen, ich begrüße das besucherorientierte Management von Museen, für mich bleibt jedoch die Frage, wie wir den Qualitätsbegriff auf Daten aus der Museumsdokumentation beziehen können.

Wann reden wir über Datenqualität?

Jede*r von uns hat sich bereits über „schlechte“ Daten in Museumsdatenbanken geärgert. Wann reden wir endlich konkret über Datenqualität? Leider viel zu selten. Es ist natürlich auch ein unangenehmes Thema. Niemand gibt gern zu, dass es hier vielleicht Missstände geben könnte. Dennoch lohnt es sich, zu beginnen.

Erster Schritt ist das Studium der hausinternen Dokumentationsrichtline, um überhaupt die Anforderungen an die Qualität zu definieren. (Wer keine hat, sollte natürlich heute eine erstellen, sehr praktisch hierfür immer noch die Publikation des Deutschen Museumsbundes: Leitfaden: Dokumentation von Museumsobjekten).

  • Was sind denn unsere Anforderungen an Datenqualität? Woran wollen wir uns messen? Wie sieht der perfekte Datensatz aus? Welche Mindestanforderungen können wir formulieren?
  • Welchen Standards in Form von Datenfeldkatalogen und Ansetzungsregeln werden verfolgt? Auf welche Normdaten wollen wir verweisen?
  • Hier gilt es auch abzuwägen: Standards sind wichtig, dennoch können sie uns nicht jede Frage abnehmen. Es gilt, auch hausinterne Besonderheiten (z.B. Abläufe) einzubeziehen.
  • Wie sieht es heute aus? Entsprechen unsere Daten diesen Anforderungen?

Je höher die Standards (die wir lieben!), desto unwahrscheinlicher wird es, dass unsere Daten diesen entsprechen. Doch analog zu Inventuren und Revisionen in Museumsmagazinen, erscheint eine Datenrevision anhand unserer hauseigenen Regeln sinnvoll.

Datenqualität im Besonderen

Sehr hilfreich fand ich eine Matrix der Deutschen Gesellschaft für Informations- und Datenqualität e.V. (DGIQ), um die verschiedenen Aspekte der Daten- und Informationsqualität zu betrachten. (s. https://docplayer.org/794354-Dgiq-projekt-iq-definition.html, S.15). Dort werden vier Kategorien genannt, die mir wichtig für eine Untersuchung und Bewertung der Qualität sind: Das System, der Inhalt, die Darstellung und die Nutzung. Innerhalb dieser Kategorien werden 15 Dimensionen benannt.

Übertragen auf Daten und Informationen aus Museumsdatenbanken könnte dies folgendes bedeuten:

  1. Zugänglichkeit: So banal es auch klingen mag, bleibt festzuhalten, dass die Daten in dem Moment zugänglich sein müssen, in dem ich sie benötige. Ist dies nicht der Fall, kann ich ihre Qualität nicht einmal beurteilen. Im schlimmsten Fall wende ich mich als Mitarbeiter*in von der Museumsdatenbank ab und erstelle eigene kleine Datensammlungen, um arbeitsfähig zu sein. Jeder kennt diese Excel-Listen, eigenen Datenbanken… (Hier habe ich nicht einmal den Zugang nach außen angesprochen, sondern nur die interne Zugänglichkeit.)
  2. Bearbeitbarkeit: Keine Angst, zur Sicherheit und Schreibrechten kommen wir noch. Es geht hier lediglich um folgenden Aspekt: Bin ich für einen bestimmten Aspekt der Datenerfassung zuständig, muss ich Daten einfach bearbeiten können. Auch hier drohen Zweit- und Drittsysteme, wenn ich den Mitarbeiter*innen nicht die Möglichkeit der Bearbeitung geben.
  3. Hohes Ansehen: Welches Image hat unsere Museumsdatenbank im Haus? Genießt sie ein hohes Ansehen? Hier wäre eine Befragung der Mitarbeiter*innen hilfreich.
  4. Fehlerfreiheit: Wer dreimal mit falschen Objektmaßen aus der Datenbank vor einer Transportkiste steht und wieder ins Depot zurückläuft, wird irgendwann keiner Maßangabe mehr vertrauen.
  5. Objektivität: Dies natürlich auf die äußeren Merkmale von Objekten bezogen. Es geht hier nicht um eine wissenschaftliche Katalogisierung. Dort, wo es unsere Dokumentationsrichtlinie fordert, brauchen wir Objektivität (und keine Romane).
  6. Glaubwürdigkeit: Wie transportieren wie Glaubwürdigkeit unserer Daten? Der erste Schritt wäre eine Dokumentationsrichtlinie, die unseren eigenen Anspruch an unsere Daten offenlegt. Zur Glaubwürdigkeit trägt immer auch Professionalisierung von Museumsdokumentation bei. Wer erhält Schreibrechte? Wie wird das Personal geschult? (Ich träume hier natürlich von riesigen Museolog*innen-Teams.)
  7. Eindeutige Auslegbarkeit: „Datierung: vermutlich erste Hälfte 18. Jahrhunderts“, „Zustand: gut“ lassen viel Spielraum.
  8. Einheitliche Darstellung: Das beste Beispiel liefern hier immer Maßangaben. In vielen Museumsdatenbanken gibt es – ein Glück – eine sehr genaue Aufteilung der Informationen nach „Objetktteil“, „Dimension“, „Zahlenwert“ und „Einheit“, um Maßangaben in getrennten Datenfeldern zu erfassen. Es wird trotzdem immer noch Wege geben, dass sich Angaben wie „23x24x??“ in irgendwelche anderen Felder eintragen lässt. Diese Angaben sind nicht besser als Leerstellen.
  9. Übersichtlichkeit: Wenn die Datenbank einem unübersichtlichem Felderwald ähnelt, wird das unserer Beurteilung der Qualität beeinflussen.
  10. Verständlichkeit: Verstehen wir die Angaben? Hier geht es nicht darum, nur Allgemeinsprache verwenden zu dürfen, natürlich brauchen wir Fachsprache, um Objekte zu ordnen, zu beschreiben. Aber halten wir hier ein einheitliches Maß? Und ist es für alle verständlich, die mit diesen Daten arbeiten?
  11. Relevanz: Erhalte ich alle notwendigen Informationen passend für meinen Zweck?
  12. Angemessener Umfang: Ist die Menge der Informationen ausreichend? Eine Zustandsbegutachtung, die nur aus einem Wort („gut“) besteht, wird mir nicht helfen, wenn mir ein Schaden auffällt und ich auf die Informationen aus der Datenbank angewiesen bin.
  13. Vollständigkeit:
    1. Auf den einzelnen Datensatz bezogen: Nichts ist schlimmer als Blitz-Inventarisierungsaktionen wie „Erstmal-eine-Inventarnummer-dann-sehen-wir-weiter“.
    2. Auf die Gesamtheit: Die Frage, ob alle unsere Objekte in der Museumsdatenbank erfasst sind, traut sich kaum jemand zu beantworten, oder?
  14. Wertschöpfung: Hier würde ich in diesem keine monetäre Zielfunktion sehen. Datenqualität schafft keine neuen Einnahmen. Sie hilft uns aber, unsere Ressourcen optimal einzusetzen. Da alle anderen Bereiche des Museums auf diese Daten angewiesen sind, ist es wichtig, dass hier keine Doppelarbeit entsteht.
  15. Aktualität: Wann werden Daten eingetragen? Entspricht der Objektdatensatz unserem neusten Informationsstand?

Fazit

Eine hauseigene Dokumentationsrichtlinie ist Pflicht, bevor wir über Datenqualität jammern reden. Was bedeutet Datenqualität für unser Museum? Wo stehen wir heute? Wie bewerte ich Daten- und Informationsqualität?

Das Nachdenken über Datenqualität wird anfangs wehtun, da es Versäumnisse aus der Vergangenheit zutage fördert. Die Vogel-Strauß-Methode hat jedoch bisher nicht funktioniert. Also, los!

2 Gedanken zu “Gedanken zu Museumsdaten und Qualität

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